Stark wechselwirkende Quanten-Vielteilchensysteme zeigen eine Vielzahl faszinierender Phänomene auf Grund ihres hohen Grades an Komplexität. In jüngster Zeit haben ultrakalte Atome in optischen Gitterpotentialen ganz neue experimentelle Wege eröffnet, die Physik solcher Systeme in besonders flexibler Weise zu untersuchen. Die außergewöhnlich gute Kontrolle über Systemparameter, wie beispielsweise die Gittereigenschaften, die Wechselwirkungsstärke zwischen den Atomen, oder die Dimensionalität des Quantensystems, erlaubt es im Speziellen, grundlegende Modelle aus der Festkörperphysik zu studieren. Beispiele hierfür sind Hubbard-Modelle oder Luttinger-Flüssigkeiten.
Von Interesse ist auf der einen Seite die "Quantensimulation" der niederenergetischen Grundzustandsphasen und deren Phasenübergänge. Darüber hinaus bieten Experimente mit kalten Atomen gleichzeitig die einzigartige Möglichkeit kohärente Vielteilchen-Quantendynamik, und die damit verbundenen Effekte, zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit beinhaltet eine Reihe experimenteller Studien zur Vielteilchendynamik stark wechselwirkender Bosonen in eindimensionalen (1D) Systemen.
Ein Cäsium Bose-Einstein-Kondensat in einem optischen Gitter dient der Realisierung eindimensionaler Gittersysteme, beschrieben durch das Bose-Hubbard Modell. Wir untersuchen kohärente Vielteilchen-Tunneldynamik im Mott-Isolator-Zustand des Systems, nachdem wir diesen plötzlich einer starken externen Kraft aussetzten, und damit das Gitterpotential "kippen". Die starke Wechselwirkung der Atome im Mott-Isolator führt zu resonanten und stark korrelierten Tunnelprozessen über eine kontrollierte Zahl von Gitterplätzen, wenn die Kraft die Wechselwirkungsenergie zweier Teilchen auf dem gleichen Gitterplatz kompensiert. Zunächst untersuchen wir kohärente Vielteilchendynamik für den Fall resonanten Tunnelns zwischen benachbarten Gitterplätzen. In diesem Regime lässt sich das Quantensystem auf ein Ising-Spin-Modell abbilden, das wir im Gleichgewichtsfall und im Nicht-Gleichgewichtsfall analysieren. Über die Tunneldynamik beobachten wir auch eine Modifikation der Tunnelrate auf Grund der Wechselwirkung zwischen den Teilchen, das sogenannte Dichteinduzierte Tunneln.
Des Weiteren untersuchen wir langreichweitiges Tunneln durch gleich mehrere Barrieren des Gitterpotentials. Diese Prozesse können Tunneltermen höherer Ordnung zugeordnet werden, wobei die jeweilige Ordnung gegeben ist durch die Zahl der durchdrungenen Barrieren. Im Experiment ermöglicht das die Beobachtung von Vielteilchendynamik die getrieben ist durch schwache Kopplungsterme, welche über die Ordnung der wichtigen Super-Exchange-Wechselwirkung hinausgehen. Eine Reihe weiterer Experimente widmet sich schließlich noch der Quantendynamik eines 1D Superfluids im gekippten Gitterpotential, die durch sogennante Bloch-Oszillationen gekennzeichnet ist. Im Fall wechselwirkender Teilchen beobachten wir eine quasi-periodische Zeitentwicklung auf Grund sogenannter "quantum phase revivals", und vermessen den Übergang zu quanten-chaotischem Verhalten.
Abschließend wird das eindimensionale Gas wechselwirkender Bosonen ohne zusätzliches Gitterpotential untersucht, beschrieben durch das Lieb-Liniger Modell. Wir vermessen das Anregungsspektrum des Vielteilchensystems vom schwach wechselwirkenden bis ins stark wechselwirkende Regime mittels Bragg-Spektroskopie. Damit zeigen wir den Einfluss sogenannter ''loch-artiger'' Anregungen auf die Form des Anregungsspektrums für das stark korrelierte 1D System.