Problemstellung: Neue ökonomische und soziale Herausforderungen in einer multikulturellen und leistungsorientierten Gesellschaft fordern aufgrund erhöhten Konfliktpotentials bei Heranwachsenden vertiefte Erziehungsarbeit in Schulen. Der Schule als Sozialisationsinstanz kommt dabei die Aufgabe zu, soziales Handeln und Fair Play zu vermitteln. Dem Sport wird in diesem Zusammenhang in der Literatur eine große Wirkkraft zugesprochen, jedoch mangelt es an evidenzbasierter Datenlage in der Forschung. Gleichzeitig wurde in Studien festgestellt, dass sozioökonomische, soziale und biologische Einflussfaktoren wie das Geschlecht, die Sportvereinszugehörigkeit oder Migrationshintergrund Einfluss auf soziales Handeln und Fair Play nehmen können.
Zielsetzung: Das Untersuchungsziel dieser Arbeit war herauszufinden, ob Unterschiede in der Bedeutungszuschreibung und Einschätzung von fairem Verhalten und Fair Play in Abhängigkeit der potentiellen Einflussfaktoren Geschlecht, Sportvereinszugehörigkeit und Migrationshintergrund der ersten und zweiten Klassen der Sekundarstufe I bestehen. Dabei sollte eine Momentaufnahme des Stellenwerts von Fair Play im Sportunterricht abgebildet werden, um Konsequenzen für eine optimale Sozialerziehung zu ziehen.
Methodik: Insgesamt wurden 900 SchülerInnen der fünften und sechsten Schulstufe in der Sekundarstufe I aus 18 Schulen anhand eines standardisierten Fragebogens zur persönlichen Relevanz von fairnessgeleiteten und regelwidrigen Verhaltensweisen sowie der Bedeutung von Fair Play im Sportunterricht, in der Schule und Freizeit befragt. Gleichzeitig wurden Geschlecht, mögliche Aktivität innerhalb eines Sportvereins und Migrationshintergrund (über die gesprochene Sprache mit den Eltern) erfasst.
Ergebnisse: Bei den 11- bis 12-jährigen Mädchen konnte im Vergleich zu den Jungen eine hoch signifikant stärkere Ablehnung aller regelwidrigen Handlungen und eine hoch signifikant höhere Bedeutung von elf von zwölf fairnessgeleiteten Handlungen verzeichnet werden. Außerdem maßen Mädchen dem Fair Play im Sportunterricht, in der Schule und in der Freizeit eine hoch signifikant größere Bedeutung als Jungen bei. Schüler und Schülerinnen, die nicht in einem Sportverein aktiv waren, lehnten die anti-sozialen Handlungen „SchiedsrichterIn beschimpfen“ und „Foul, um einen Punkt der GegnerInnen zu verhindern“ hoch signifikant entschiedener ab. Dahingegen waren die fairnessgeleiteten Handlungen „verlieren können“ hoch signifikant und „jemanden aufmuntern, der/dem eine Aktion missglückt ist“ sowie „der/dem GegnerIn die Hand vor und nach dem Spiel geben“ für Personen, die in einem Sportverein aktiv waren, signifikant wichtiger als für die Gruppe ohne Sportvereinspartizipation. Dabei maßen SchülerInnen, die in einem Sportverein aktiv waren, dem Fair Play in der Schule und in der Freizeit hoch signifikant mehr Bedeutung bei. Regelwidrige Handlungen wie die Items „SchiedsrichterIn beschimpfen“ und „GegnerIn beschimpfen“ lehnten ProbandInnen ohne Migrationshintergrund signifikant und die Items „Bein stellen“ und „Foul, um Punkt der GegnerInnen zu verhindern“ hoch signifikant stärker ab als jene mit Migrationshintergrund. Weiters waren fairnessgeleitete Handlungen wie „verlieren können“, „nicht foulen“, „SchiedsrichterIn respektieren“, „auf Gesundheit der GegenspielerInnen achten“, „Schwächeren den Ball zuspielen“, „jemanden aufmuntern, dem/der eine Aktion missglückt ist“, „alle im eigenen Team spielen fair“ und Fair Play in der Schule und in der Freizeit für SchülerInnen ohne Migrationshintergrund hoch signifikant wichtiger.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass (hoch) signifikante Unterschiede in der Einschätzung fairnessgeleiteter sowie regelwidriger Handlungen und Einstellungen in Abhängigkeit der Einflussgrößen Geschlecht, Sportvereinszugehörigkeit und Migrationshintergrund bestehen.