Die Baubranche hat einen enormen Stellenwert in der österreichischen Wirtschaft. Im Zusammenhang mit jedem Bauvorhaben werden zahlreiche Werkverträge abgeschlossen. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten bei der Abwicklung, ist es wichtig für die Vertragsparteien, Klarheit über ihre rechtliche Situation zu haben. Die allgemeinen Werkvertragsnormen des ABGB sind nicht ausreichend spezialisiert formuliert, diese gesetzliche Lücke gilt es insbesondere durch gut strukturierte Bauverträge zu schließen. Der Vertragsgestaltung kommt eine enorme Bedeutung in Bezug auf den Prozessausgang im Falle eines Zivilrechtsstreites zu. Häufig werden Allgemeine Geschäftsbedingungen und weitere Regelwerke zum Bestandteil eines Bauvertrags erklärt. Eines dieser Regelwerke, welches in der Baubranche eine zentrale Rolle einnimmt, ist die ÖNORM B 2110. Inhalt der ÖNORM B 2110 mit dem Titel „Allgemeinen Vertragsbestimmungen für Bauleistungen“ sind kollektiv gestaltete Vertragsbedingungen.
Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Vereinbarung der Geltung der ÖNORM B 2110 auf einen Bauvertrag für die Parteien ergeben. Die ÖNORM B 2110 ändert die allgemeine Rechtslage des ABGB betreffend Bauwerkverträge ab. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Regelungskomplexen finden zu einem großen Teil auf der Detailebene statt.
Bereits das ABGB sieht in § 1168a eine Prüf- und Warnpflicht des Werkunternehmers vor, die ÖNORM B 2110 gibt die bestehende Rechtslage des ABGB wider und präzisiert diese.
Vertragsstrafen sind ein häufiges Mittel zur Absicherung der Einhaltung eines Zeitplans. Ein derartiger pauschalierter Schadenersatz wird in der ÖNORM B 2110 mit 5% der Auftragssumme gedeckelt und muss auch der die Vertragsstrafe übersteigenden Schaden nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ersetzt werden.
Mit der Übernahme wir ein Bauvorhaben abgeschlossen, die ÖNORMB B 2110 sieht dabei eine förmliche Übernahme als Regelfall vor.
Das ABGB schützt den Auftraggeber und erlaubt diesem, den Werklohn bis zur mängelfreien Fertigstellung des Gewerks zurückzuhalten. Dieses bestehende Zurückbehaltungsrecht wird durch die ÖNORM B 2110 eingeschränkt.
Der sogenannte Schlussrechnungsvorbehalt ändert die Rechtslage des ABGB im Zusammenhang mit der Verjährung doch deutlich ab und auch die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen im ABGB werden durch die ÖNORM B 2110 modifiziert.
Diese Unterschiede zeigen nur schwerpunktmäßig auf, wie komplex die jeweilige Rechtslage ist.
Dass bei einem Vertragspartner allgemeine Rechtskenntnisse vorhanden sind, kann vorausgesetzt werden. Dass darüber hinaus jedoch Spezialkenntnisse vorhanden sind, entspricht nicht dem Bild eines Durchschnittsverbrauchers.
Bei Vertragsverhandlungen entsteht damit die Situation, in der spezialisierte Fachleute mit detaillierten Rechtskenntnissen auf dem jeweiligen Gebiet auf der einen Seite und Leien auf der anderen Seite einander gegenüberstehen. Es entsteht eine Ungleichgewichtslage, vor allem wenn Konsumenten als Vertragspartei auftreten.
Diese unbefriedigende Situation muss ausgeglichen werden, insbesondere geschieht dies durch gesetzlich vorgesehene Schutzbestimmungen. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Transparenzgebot ein, welches einen Konsumenten vor komplizierten Rechtsvorgängen schützen soll. Anhand dieses Gebotes muss auch die ÖNORM B 2110 gemessen werden.