Demokratische Republik Kongo ist ein großes Land im Herzen von Afrika. Trotz des Reichtums seines Bodens und seiner unermesslichen Bodenschätze, trotz seines beeindruckendes Bevölkerungswachstums und der markanten Religiosität seiner Bevölkerung, bleibt die DRC ein sehr krankes Land. Neben der erhöhten Armut der Bevölkerung, gibt es die schamlose Korruption, Betrug, Tribalismus, politische Verantwortungslosigkeit und eine ethische Krise. Darüber hinaus präsentiert sich die ethnische Pluralität nicht ohne Probleme des Zusammenlebens und des nationalen Zusammenhalts. Seit mehr als 20 Jahren ist Kongo - Kinshasa in den Kreislauf der Gewalt und der Kriege eingetaucht, die Millionen Opfer verursacht. In dieser Kriegssituation nimmt auch die Zahl der sexuellen Vergewaltigungen zu. Eine weitere Tragödie dieser Situation des permanenten Krieges ist der massive Zustrom von Flüchtlingen, sowie die Zwangsrekrutierung von Kindern für den Militärdienst.
Wie konnte ein zu 95% christliches Land in einen Zyklus von Kriegen, blutigen Gewalt und Spaltungen versinken? Was bedeutet die Auswirkung des Christentums in diesem Land? Die Diskrepanz zwischen der beeindruckenden Zahl der Christen und der apokalyptischen Situation in der sich das Land befindet legt die Folgerung nahe, dass das Konzept der Kirche und das Evangeliums, das sie verkündet, das tiefe Herz des Empfängers noch nicht erreicht hat, um eine echte Bekehrung zu verursachen. Unsere Frage ist daher: Wie kann die katholische Kirche zum Zeichen des Heils für die kongolesische Bevölkerung werden? Welche Art von Kirche ist für eine Gesellschaft nötig, die sich in einer Krise befindet? Was bedeutet es, Kirche zu sein für Menschen mit verschiedenen ethnischen Gruppen?
Die Ekklesiologie der Familie Gottes, die von der Bischofssynode für Afrika im Jahr 1994 hervorgehoben ist, reicht heute nicht mehr aus, weil die Familie selbst in Krise gestürzt ist. Sie steckt im Zentrum vieler Skandale. Wir denken, dass man diese Ekklesiologie mit zwei anderen Modellen ergänzen muss : der Communioekklesiologie und der Dramatischen Ekklesiologie. Gemäß der ersten, die vom Franko-Kanadier Jean-Marie Roger Tillard entwickelt wurde, ist die Kirche als vertikale Communio mit Gott zu verstehen, die gleichermaßen horizontale Communio der Gläubigen untereinander und die universale Communio der Ortskirchen bedeutet. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Ansicht, die die kirchliche Communio in den Strukturen sieht, sagt Tillard, dass, Communio in erster Linie nicht eine Frage der Struktur, sondern des Lebens ist. Die Strukturen gibt es nur in und wegen der Communio.
Die horizontale Communio der Christen ist dabei von größter Bedeutung. Sie verwirklicht sich in der Communio vom selben Glauben, in der Praxis der gleichen Liebe und Versöhnung, in der Communio der gleichen Mission, in der Sorge für Einander, dem gemeinsamen Gebet usw. Solches Leben ist nur möglich in der Ortskirche, weil dort der Ort ist, wo der Mensch mit harten Prüfungen des Lebens konfrontiert wird. Dort soll auch das Heil erfahrbar sein. Für Tillard ist Kirche, die ja zugleich Volk Gottes und Leib Christ ist, zugleich Sakrament des Heils. Dies wird sie, wenn sie die Völker im Namen Ihres Herren und Erlösers evangelisiert, versammelt und versöhnt. Sie tut das, weil sie selbst evangelisiert, versammelt und versöhnt wurde. Das bedeutet, dass sie der Ort ist, wo das Heil erfahrbar ist.
Dramatische Ekklesiologie von Pater Raymund Schwager betrachtet die Kirche, die am Pfingsten hervorkommt als Ergebnis eines langen dramatischen Prozess, in dem die Kräfte des Bösen und des Todes durch die Liebe besiegt wurden. Deshalb soll sie sich für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung in der Welt engagieren. Sie muss die Verzeihung als den einzig möglichen Weg der Überwindung von Gewalt fördern. Die Rache ist ja Ursache aller Gewalttaten et Konflikten. Für Dramatische Theologie kommt der wahre Friede nicht von politischen Kompromissen oder Waffen. Er ist vor allem das Ergebnis der Bekehrung und der Praxis von sozialer Gerechtigkeit.
In unserer Dissertation versuchten wir, zu zeigen, ausgehendend von der Rekonstruktion dieser zwei ekklesiologischen Modelle, dass die Verbindung der Communio- und Dramatischen Ekklesiologie das relevanteste ekklesiologische Modell für die Praxis der Kirche in der RDC sein könnte. Im heutigen kongolesischen Kontext von wiederholten Kriegen kann die Kirche zum Zeichen des Heils werden, nur wenn sie als Ort der Bekämpfung von Kriegen, Spaltungen, Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Unterdrückung und Armut erlebt wird. Sie wird zum Zeichen des Heils, wenn sie als eine arme Kirche im Dienst der Armen steht und wenn sie die Versöhnung, die Gerechtigkeit, den Frieden, den Ökumenismus und den Interreligiöse Dialog in der kongolesischen Gesellschaft fördert; wenn sie schlussendlich keine Kompromisse mit denjenigen, die das Volk unterdrücken eingeht. Das heißt, wenn sie ihrer prophetischen Berufung treu bleibt. Die Kirche wird zum Zeichen des Heils im Kongo, wenn sie sich selbst präsentiert als den Ort, an dem dieses Heil erfahrbar ist. Die Welt glaubt mehr an Zeugen als an Prediger. Dies sind zugleich die Voraussetzungen und die Leistungen der Communio- Dramatischen Ekklesiologie.
Außerdem ist diese Ekklesiologie ein wichtiger Faktor für die vertiefte Evangelisierung. Das Bewusstsein der Zugehörigkeit zur Kirche bekommt der Mensch tatsächlich in kleinen Gemeinden. Dort macht er die beste Erfahrung seiner Glaubensgemeinschaft. Die Communioekklesiologie betont doch die Bedeutung von Errichtung und Stärkung der Basisgemeinden, die ja Orte des christlichen Zeugnisses, der Neubewertung der christlichen Familie, ecclesia domestica und erste Schule des Lebens sind. Sie unterstreicht auch die Notwendigkeit der Förderung verschiedener Bewegungen der Katholischen Aktion und anderer Jugendbewegungen. Denn dort, in diesen kleinen Orten kommt der Christ von seiner Anonymität los. Dort lernt er den Wert und die Bedeutung von Gerechtigkeit, von Teilen, von Versöhnung und von Frieden. Dort nimmt er teil an der Mission der Kirche. Dort lebt er gleichzeitig als Bürger und Christ. Er versucht, seinen christlichen Glauben im konkreten Leben durchzusetzen.
Zusätzlich verweigert sich der Begriff Communio gegen jede Tendenz, nur an seine eigene Gemeinde zu denken. Er fördert viel mehr das Bewusstsein für die kirchliche Wirklichkeit, die es jenseits meiner eigenen Ecke, meines sprachlichen, kulturellen, sozialen und rassischen Raum gibt. Es geht dabei um die Annahme des Anderen in seiner Verschiedenheit. Im Begriff Communio werden die ethnischen Unterschiede als Reichtum betrachtet oder angesehen. Sie sind nicht mehr Ursachen von Kriegen, Konflikten, Rivalitäten und Spaltungen. Communio verweigert sich gegen die Uniformität, aber auch gegen die Verabsolutierung des Unterschiedes. Communio bedeutet „Einheit in Verschiedenheit“. Das benötigt die kongolesische Gesellschaft mit ihren vielen ethnischen Gruppen.
In unserer Dissertation haben wir versucht, die Schlusselbegriffe „Communio“, „Gerechtigkeit“, „Frieden“, „Versöhnung“ und „Dialog“, „Unterschied“ theologisch zu interpretieren, um zu zeigen, warum eine Communio-Dramatische Ekklesiologie wichtig für die kongolesische Gesellschaft und Kirche werden kann.