Wie kaum ein anderes Rechtsgebiet kann das Strafrecht als Quelle von Gefahren für Grund- und Menschenrechtsverletzungen angesehen werden. Die Frage nach dem Verhältnis von Grundrechten und Strafrecht war einst auf rein nationale Sachverhalte beschränkt. Spätestens mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist nun aber neben dem Staat die Europäische Union als ein supranationaler Akteur des Strafrechts hervorgetreten. Ein umfassender und lückenloser Grundrechtsschutz auf Unionsebene ist daher unabdingbar. Dieser Schutz soll in erster Linie durch die Grundrechtecharta gewährleistet werden. Die Frage, ob die Charta bzw deren Anwendung und Auslegung durch den EuGH aber einen für den grundrechtseingriffsintensiven Bereich des Strafrechts adäquaten Grundrechtsschutz bietet, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
Nach einem einführenden Kapitel wird dargestellt, unter welchen Voraussetzungen der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta iSv Art 51 GRC eröffnet ist und die strafrechtlichen Garantien der Grundrechtecharta in einem nationalen Strafverfahren zur Anwendung gelangen. Neben dem Umfang der Bindung der Mitgliedstaaten an die Charta wird auch das Verhältnis der Chartagrundrechte zu den nationalen Grundrechten geklärt. Sodann werden die Kompetenzen der Union im Bereich des Strafrechts und die darauf gestützten „alten“ wie „neuen“ strafrechtlichen Sekundärrechtsakte beleuchtet. Somit wird deutlich, dass bereits zahlreiche nationale Strafverfahren unionsrechtlich determiniert sind. Da für einen effektiven Grundrechtsschutz aber nicht nur die Verankerung der Grundrechte, sondern auch deren gerichtliche Durchsetzung von Bedeutung ist, wird anschließend der gerichtliche Schutz der Chartagrundrechte analysiert. Kritische Schlussbetrachtungen bilden den Abschluss der Arbeit.